neue demokratische Medienordnung etablieren, 12.02.2015: 

Ich habe auf piratenpartei.de nachgeschlagen, ob die Piratenpartei sich zum Medienstaatsvertrag - ein piratisches Thema par excellence - geäußert hat https://www.piratenpartei.de/?s=Medienstaatsvertrag&cat=0 . Der einzige Treffer Jugendmedienstaatsvertrag ist in der Rede von Bernd Schlömer auf dem Bundesparteitags 2013.1 vom 12.05.2013 zu finden. Einen Treffer mit Staatsvertrag liefert "Bundesverfassungsgericht verurteilt Staatsnähe des ZDF" vom 25.03.2014 [5] .

Nicht nur auf der Website der Piratenpartei, sondern bspw. auch auf www.ccc.de (Chaos Computer Club e. V.) oder auf http://www.cicero.de/suche/Medienordung habe ich vergeblich u.a. mit Suchbegriffen "Medienordung" und "Medienstaatsvertrag" nach Stellungnahmen oder Kommentaren zum "neuen Medienordung"-Vorhaben der Großen Koalition gesucht. Das ist unverständlich und beunruhigend. Als "brisant und drängend" wird der Hintergrund der Debatte über den Medienstaatsvertrag vom Insider und Kenner der Materie, dem amtierenden Vorsitzenden der AG Medienstaatsvertrag Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der nicht gerade als Scharf- oder Panikmacher bekannt ist, empfunden [8], Seite 11.

Es ist höchste Zeit, dass die Zivilgesellschaft aus dem Dornröschen-Schlaf erwacht und einen Augenmerk auf das Thema "neue Medienordnung" richtet. Eine passende Gelegenheit dazu bietet sich im Rahmen der Anhörung zum ZDF-Staatsvertrag, bei dem "Alle Interessierten herzlich dazu eingeladen sind, bis zum 28. Februar 2015 durch schriftliche Stellungnahmen an der Anhörung teilzunehmen" [4].

Für die Medienregulierung sind die Bundesländer zuständig. Nicht nur kleine Oppositionsparteien - auch unabhängige parteilose Landtagsabgeordneten und Vereine haben eine Gelegenheit im Rahmen der öffentlichen Anhörung zumindest zu versuchen die Öffentlichkeit auf die Wucht und Tragweite der von den etablierten Parteien angestrebten neuen Medienordnung [7], [8], [9] aufmerksam zu machen.

Unabhängig von der Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zum ZDF-Staatsvertrag wäre die Zivilgesellschaft gut beraten, das Thema "Die Entwicklung einer neuen Medienordnung" auch zukünftig im Auge zu behalten. Die im Koalitionsvertrag genannte Absicht, das Kartellrecht zu reformieren ist von der CDU, CSU und SPD mit der Notwendigkeit begründet, die Pressevielfalt schützen zu müssen [10] Seite 17 und Seite 135. Dies ist m.E. ein vorgeschobenes Argument, das mit keinem stichhaltigem Konzept untermauert ist. Das Projekt "Die Entwicklung einer neuen Medienordnung" ist nach meiner Auffassung von den etablierten Parteien in's Leben gerufen einzig und allein mit dem Ziel zwei Fliegen mit einem Schlag zu erwischen:

  • die mächtigen Medienkonzerne, die u.U. in der Lage sind, einen Bundespräsidenten zum Rücktritt zu zwingen - s. Wulff-Affäre [11], mit der "Optimierung" des Kartellrechts gnädig zu stimmen
  • neue Medienordnung zu installieren, mit der ein Kartell aus etablierten Parteien, Behörden und mächtigen Medienkonzernen abseits von demokratischen Strukturen und abseits von demokratisch legitimierten Verfahren die Meinungsmachtkontrolle [6] wirksam ausüben kann.

Hin und wieder reden die Politiker der etablierten Parteien auch Klartext, wenn es um die Themen "neue Medienordnung" und Meinungsmachtkontrolle geht:

a) "Es geht darum, wer die Kommunikationsordnung prägt, wer demokratische Diskurse ermöglicht und wer welche ökonomischen Gewinne aus der Infrastruktur unserer Öffentlichkeit generiert." - so Erster Bürgermeister Olaf Scholz beim Senatsempfang anlässlich des medienDialogHH 2014, [8], Seite 2.
b) "Nach Auffassung von Axel Wintermeyer, Chef der Hessischen Staatskanzlei, wird man bei den Schnittstellen Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht in der Bund-Länder-Kommission in der Mehrzahl der Fälle zu Verfahrensabsprachen unterhalb der staatsvertraglichen Ebene kommen können." [2].

"Unterhalb der staatsvertraglichen Ebene" ist für mich eine ziemlich durchsichtige Bezeichnung von Verfahrensweisen, die dafür sorgen, dass das Staatsnähe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts [5] von den etablierten Parteien CDU, CSU und SPD umgangen, unterwandert und letztendlich zu einer Farce degradiert wird.

Die Gutachter warnen, dass, wenn es um das Thema Meinungsvielfalt geht, "einmal eingetretene Fehlentwicklungen – wenn überhaupt - nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten"  Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seite 54. Mit dem "Konvergenz und regulatorische Folgen – Kurzüberblick" ( FragDenStaat.de-Anfrage "Bund-Länder-Kommission für eine konvergente Medienordnung" https://fragdenstaat.de/a/8528 [7]) haben interessierte Bürgerinnen und Burger eine zeitsparende Möglichkeit, auf drei Seiten sich in das Thema "Medienordnung" zügig einzuarbeiten. Bei der detaillierteren Lektüre des Konvergenzgutachtens [9] kann die Sammlung von gebräuchlichsten Begriffen und Kontextinformationen zum Thema Medienordnung "von A bis Z" http://medien21.sprechrun.de/?id=2124 hilfreich sein.

Quellen

[1] TOP-Thema: Kein Kompetenzgerangel und keine neuen Regulierungsfiktionen. Bund-Länder-Kommission soll digitale Medienordnung aushandeln, 02.10.2014 -
www.artikel-presse.de/top-thema-kein-kompetenzgerangel-und-keine-neuen-regulierungsfiktionen.html
[2] Digitale Medienordnung: Länder werden auf Kompetenzen nicht verzichten, 27.08.2014 -
http://www.medienpolitik.net/2014/08/medienordnung-keine-rundfunkregulierung-durch-den-bund/
[3] medien21-Blog: neue Medienordnung - ein Schnelleinstieg - http://luesi.sprechrun.de/?id=2362
[4] Medien. Novellierter ZDF-Staatsvertrag, 30.01.2015 - www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/article/-06efcc2dce/
[5] Bundesverfassungsgericht verurteilt Staatsnähe des ZDF, 25.03.2014 - https://www.piratenpartei.de/2014/03/25/bundesverfassungsgericht-verurteilt-staatsnaehe-des-zdf/
[6] Meinungsmachtkontrolle SPD - https://duckduckgo.com/?q=Meinungsmachtkontrolle+SPD
[7] Bund-Länder-Kommission für eine konvergente Medienordnung - https://fragdenstaat.de/a/8528
[8] 03.06.2014, Grundsatzrede des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz beim
Senatsempfang anlässlich des medienDialogHH 2014 - www.hamburg.de/contentblob/4322990/data/2014-06-03-mediendialog.pdf
[9] AG Medienstaatsvertrag: Medienvielfalt fördern, 17.10.2014 -
http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2014/october/article/medienvielfalt-foerdern/
[10] Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 27.11.2013 - www.medienpolitik.net/wp-content/uploads/2013/11/Koalitionsvertrag_CDU-CSU-SPD.pdf
[11] Christian Wulff bei Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Wulff#Verlauf
[12] Rundfunk: Regulierung meets Konvergenz. Der private Rundfunk inmitten seiner größten Herausforderung, 09.01.14 - http://www.medienpolitik.net/2014/01/rundfunk-regulierung-meets-konvergenz/