Wer hat von der Meldung über die angebliche Teilnahme der 100 Spätaussiedler im Ukraine-Konflikt profitiert?

1) „In jedem Krieg stirbt zuerst die Wahrheit.“ Winston Churchill.

2) "Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen."
Pressekodex des Deutschen Presserates [6]

Dem Boulevardblatt, das die Meldung [8] an einem sonst schlagzeilenarmen Wochenende erfolgreich platziert und die der Deutschlandfunk (DLF) in den halbstündlichen Nachrichtenausgaben [8] den ganzen Tag zitiert hat [2.1], ist es wieder mal gelungen, mit einer skandalträchtigen Meldung für kostenlose Werbung in eigener Sache zu sorgen. Der Deutschlandfunk ist auch zu bereitwillig und zu unprofessionell auf diese alte und durchaus durchsichtige Masche angesprungen. Ein Skandal ist, dass die Deutschlandfunk-Redakteure den Zuhörerinnen und Zuhörer zwei entscheidende Aussagen aus der zitierten Quelle [8] vorenthalten haben:

• dass dem Generalbundesanwalt zu [8] "keine belastbaren Ergebnisse" vorliegen,
• und dass das Auswärtige Amt über keine "belastbaren eigenen Erkenntnisse" verfügt,

... was eine eklatante Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht darstellt - s. letzter Satz aus dem "Pressekodex des Deutschen Presserates" oben Punkt 2). In einer zunehmend aufgeheizten Atmosphäre, in der die Bürgerinnen und Bürger durch die Gräueltaten aus dem Nahen Osten und durch die von den zurückgekehrten IS-Kämpfern ausgehenden Gefahr verunsichert sind, sehe ich die Journalisten, die "unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen" [6] über die Spätaussiedler aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion, die der DLF in [2] pauschal als "Russland-Deutsche" stigmatisiert, verbreiten, ohne diese "unbestätigte[n] Meldungen, Gerüchte und Vermutungen als solche erkennbar zu machen" - s.  Screenshot der Original-Meldung in der gleichen Verantwortung, wie die Macher der berühmtberüchtigten Verfilmung "Jud Süß" (1940) [9].

Es liegt auf der Hand, dass die Verhandlungsposition des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko sich spürbar verbessern würde, wenn die Bundeskanzlerin bzw. die Öffentlichkeit mit belastbaren Beweisen über eine Teilnahme deutscher Staatsbürger in Kampfhandlungen in der Ostukraine konfrontiert werden. Also könnten auch die ukrainischen Geheimdienste die entsprechenden Nachrichten im Vorfeld des Treffens von Petro Poroschenko mit Angela Merkel gezielt streuen.

Wenn man sich daran erinnert, dass die deutschen Nachrichtendienste seit den Untersuchungen anlässlich der NSU-Morde regelmäßig mit den Forderungen konfrontiert sind, die Nachrichtendienste aufzulösen bzw. zu verschlanken, dann kann eine Ostukraine-Kämpfer-Spätaussiedler-Affäre ein willkommenes Ereignis sein, jegliche Verschlankungsvorhaben elegant aus der Welt zu schaffen.

Fatal für die Zivilgesellschaft wäre, wenn die Medien und die Politiker auch weiter zu leichtgläubig auf die Gerüchte, Halbwahrheiten, Lügen und sonstigen mehr oder weniger bekannten Tricks der Geheimdienste reagieren. Die Konsequenz wäre die Aufstockung der Geheimdienstetats in Deutschland, Russland und in der Ukraine, ein Aufblähen der Geheimdienste, Marginalisierung der Zivilgesellschaft, ... Was mit Protagonisten der Jud Süß-Verfilmung, den Millionen Juden in Europa geschehen ist, ist allgemein bekannt. Blüht das gleiche den Millionen (Spät-) Aussiedlern?

Mich macht es stutzig, dass die Original-Meldung [2], die ich in einer Programmbeschwerde beanstandet [1] habe, in der DLF-Nachrichten-Übersicht vom Sonntag, den 15. März 2015, nicht mehr auffindbar ist. Ist es ein Versuch der Deutschlandfunk-Nachrichtenredaktion, die Nachweise für eigene handwerkliche Fehler verschleiern bzw. verschwinden zu lassen? Eine eigene deutschlandradio.de-Suche mit dem Suchwort "Ukraine" findet den Beitrag [3], wo die handwerklichen Fehler behoben sind, nicht aber die Original-Meldung [2]. Es blieb mir nichts Anderes übrig, als eine externe Suchmaschine zu bemühen, und hier findet sich die Webseite mit dem Text der Original-Meldung [2.1]. Falls der Deutschlandfunk die [2.1]- Meldung nochmal verschwinden lässt, habe ich hier einen Screenshot dieser Original-Meldung verfügbar gemacht.

Wenn sich die vom DLF in [2.1] verwendete Sprachregelung demnächst etabliert, dann werden in den Presse-Meldungen der Innenminister Thomas de Maizière als Franzosen-Deutscher und die Bundeskanzlerin Angela Merkel als Polen-Deutsche betitelt.

1. am 21.08.2015 habe ich eine Anfrage "Ergebnisse des Prüfvorgangs "Deutsche im Kampfeinsatz in der Ukraine"" an den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gestellt.
2. Pressearbeit der Sicherheitsdienste in der "Spätaussiedler im Ukraine-Konflikt"-Affäre: diese EMail habe ich an die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 21.08.2015 gesendet - http://neue-medienordnung-plus.sprechrun.de/?id=3504

[1] Programmbeschwerde wegen der Missachtung der Programmgrundsätze im Beitrag des Deutschlandfunks "Deutsche Staatsbürger kämpfen in der Ostukraine''  [2]; der Beitrag wurde ausgestrahlt am 15.03.2015 - http://medien21.sprechrun.de/?id=2772
[2] Deutsche Staatsbürger kämpfen in der Ostukraine, 15.03.2015 - http:/ /ww w.deutschlandfunk.de/deutsche-staatsbuerger-kaempfen-in-der-ostukraine.353.de.html?drn:news_id=462294 (Diese Webseite ist nicht mehr online)
[2.1] Deutsche Staatsbürger kämpfen in der Ostukraine, 15.03.2015 - http:/ /ww w.deutschlandfunk.de/deutsche-staatsbuerger-kaempfen-in-der-ostukraine.264.de.html?drn:news_id=462334 (Diese Webseite ist nicht mehr online)
[3] Ukraine-Konflikt. Mehr als 100 Deutsche kämpfen in der Ostukraine, 15.03.2015 - http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-konflikt-mehr-als-100-deutsche-kaempfen-in-der.1818.de.html?dram:article_id=314271
[4] Deutscher Presserat - https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Presserat
[5] Online-beschwerde beim Deutschen Presserat - https://www.presserat.de/beschwerde/online-beschwerde/
[6] Pressekodex des Deutschen Presserates - http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/
[7] Konferenz und Workshop: "Die Wahrheit stirbt zuerst". Journalisten in Konfliktzonen - http://www.kas.de/medien-europa/de/events/62800/
[8] Krieg gegen Kiew. Mehr als 100 Deutsche kämpfen in der Ostukraine, 15.03.2015 - http://www.welt.de/politik/deutschland/article138417678/Mehr-als-100-Deutsche-kaempfen-in-der-Ostukraine.html
[9] Jud Süß (1940) - https://de.wikipedia.org/wiki/Jud_S%C3%BC%C3%9F_%281940%29
[10] Aussiedler und Spätaussiedler - https://de.wikipedia.org/wiki/Aussiedler_und_Sp%C3%A4taussiedler
[11] Ergebnisse des Prüfvorgangs "Deutsche im Kampfeinsatz in der Ukraine", Anfrage an den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 21.08.2015 - https://fragdenstaat.de/a/11136
[12] Medien, Bürger und Politiker als Spielbälle der Geheimdienste im Ukraine-Konflikt, 16.03.2015 - http://neue-medienordnung-plus.sprechrun.de/?id=2784

Dieser Artikel wurde lektoriert von R. von Barghorn